Strong Voice Interview #36: Düzen Tekkal
In diesem exklusiven Interview erfahren wir mehr über den bemerkenswerten Weg von Düzen Tekkal, einer Vorreiterin in den Bereichen Journalismus, Menschenrechtsaktivismus und soziales Unternehmertum. Von ihren Erfahrungen als Kriegsberichterstatterin bis hin zur Gründung von HÁWAR.help und GermanDream gibt Düzen Einblicke in ihren außergewöhnlichen Weg und die treibenden Kräfte hinter ihrer wirkungsvollen Arbeit.
"Schwesternschaft bedeutet, einander zu stärken und zu inspirieren. Sie ist eine Kraft, die uns stark macht und uns hilft, gemeinsam größere Veränderungen zu bewirken."
Düzen Tekkal
Foto: Sebastian Schramm
Du warst eigentlich Journalistin und hast dann als Kriegsberichterstatterin gearbeitet. 2015 hast du HÁWAR.help gegründet, und 2019 dann GermanDream - wie bist du dazu gekommen?
Als ich damals in den Irak gereist bin, wurde ich zur unfreiwilligen Chronistin des Völkermordes an meiner Religionsgemeinschaft, den Jesiden. 2015 habe ich dann gemeinsam mit meinen Schwestern HÁWAR.help gegründet, eine Menschenrechtsorganisation und unsere internationale Antwort auf Völkermord, Kriege und Entmenschlichung. Heute haben wir Projekte in Deutschland, Irak, Afghanistan und unterstützen die Freiheitsbewegung in Iran durch unser politisches Patenschaftsprojekt. Die Bildungsorganisation GermanDream habe ich 2018 gegründet, als Gegenentwurf zur GermanAngst, zu Spaltungydynamiken und Extremismus in Deutschland. Es geht darum zu zeigen, dass wir ein Land der Chancen und der Hoffnung sind und nicht den Falschen das Zepter überlassen dürfen.
Auf Social Media bekommt man immer mal wieder Einblicke in die Widerstände, denen du gegenüberstehst - Anfeindungen, Drohungen und Hassreden sind leider keine Seltenheit auf deinem Weg. Wie schaffst du es, damit umzugehen und trotzdem immer weiterzumachen?
Insbesondere aufgrund meiner klaren Positionierung gegen Rassismus, Antisemitismus und Menschenfeindlichkeit werde ich immer häufiger zum Ziel für Anfeindungen und Drohungen. Ich lasse mich nicht einschüchtern und werde weiterhin gegen jede Art von Menschenfeindlichkeit aufstehen. Was mich stark macht und antreibt immer weiterzumachen ist mein Purpose, denn ich brenne für unsere Themen und für die Vorstellung von einer besseren Zukunft für uns alle. In Zeiten von Spaltungsdynamiken und weltweiten Krisen müssen wir weiterhin laut sein, denn wir dürfen nicht den Extremisten und Populisten das Feld überlassen.
Aus der Kollektion anlässlich des International Women’s Day 2024 werden 10% der Einnahmen an HÁWAR.help gespendet. Könnt ihr bereits sagen, welchen Einfluss ihr durch diese Spende in euren Projekten bewirken möchtet?
Mit unseren internationalen Projekten setzen wir uns für die Rechte von Frauen weltweit ein. Wir setzen sowohl Entwicklungs- und Bildungsprogramme in Irak, Afghanistan und Deutschland um, als auch internationale Sensibilisierungs- und Aufklärungsinitiativen sowie politische Arbeit – unter anderem zur Revolution in Iran. Unser Menschenrechtsverein steht für das Bestreben eine Welt zu schaffen, in der sich jeder Mensch, unabhängig von Geschlecht, Herkunft oder Glaubensrichtung selbst- bestimmt und in Sicherheit entfalten kann. Diese Arbeit wäre ohne unsere Unterstützer und ohne Spenden nicht möglich. Daher freuen wir uns sehr, dass ein Teil der Einnahmen unseren Menschenrechtsprojekten zugutekommt und wir damit Frauen und Mädchen weltweit stärken können.
Die Kollektion läuft unter dem Motto SISTERHOOD, welches auch auf allen Produkten eingestanzt ist. Was verstehst du unter SISTERHOOD? Wie kann das jede von uns leben?
Schwesternschaft ist einer der Kernidentitäten unserer Menschenrechtsorganisation. Denn aus unserem Schmerz, dem Völkermord an unserer Religionsgemeinschaft, sind unsere heutigen Projekte entstanden. Für mich bedeutet Schwesternschaft eine tiefe Verbindung und Solidarität unter Frauen, die über familiäre Bindungen hinausgeht. Es geht um Unterstützung, Empathie und gegenseitiges Wachstum. Schwesternschaft bedeutet, einander zu stärken und zu inspirieren. Sie ist eine Kraft, die uns stark macht und uns hilft, gemeinsam größere Veränderungen zu bewirken.
Welche Veränderungen wünschst du dir bis zum nächsten Weltfrauentag und was muss dafür getan werden?
Bis zur Geschlechtergerechtigkeit haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Ich bin davon überzeugt, dass Freiheitsrechte von Frauen global zu vertreten sind und nicht bei uns an der Landesgrenze enden. In Afghanistan, Iran, Irak und anderen Krisenherden kämpfen Frauen für ihr Recht auf Selbstbestimmung, auf Bildung und für ihr Recht auf Leben. In diesem Kampf müssen wir sie unterstützen, denn Frauenrechte sind universell und unverhandelbar.
ÜBER DÜZEN TEKKAL:
Düzen Tekkal ist Politikwissenschaftlerin, Sozialunternehmerin, Kriegsberichterstatterin, Filmemacherin, Gründerin, Journalistin und Autorin. Für ihren Dokumentarfilm Háwar - Meine Reise in den Völkermord reiste sie mehrmals in den Irak und dokumentierte dort den Völkermord an den Jesiden. Düzen Tekkal hat schon als Kind gelernt, sich zu vernetzen und zu engagieren: Sie wuchs mit zehn Geschwistern in einer kurdisch-jesidischen Familie auf, die in den 1960er Jahren aus der Türkei floh. Gemeinsam mit ihren Schwestern gründete sie die Menschenrechtsorganisation HÁWAR.help, mit der sie verschiedene internationale, multireligiöse und multiethnische Projekte ins Leben gerufen hat. 2019 gründete sie die Bildungsinitiative GermanDream, um Schüler für die freiheitlich-demokratische Grundordnung zu begeistern. Im Jahr 2021 erhielt sie vom Bundespräsidenten das Bundesverdienstkreuz.