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Artikel: Strong Voices Interview #21: Jennifer Dixon - Gründerin von thewearness

Strong Voices Interview #21: Jennifer Dixon - Gründerin von thewearness

Als ich Jennifer Dixon 2020 zum ersten Mal traf, machte ich ein Praktikum in der Beauty-Abteilung der Zeitschrift JOLIE, während Jennifer stellvertretende Redakteurin des Magazins war. Ihre Fähigkeiten und ihre Erfahrung verschmolzen zu einem Führungsstil, der bei jedem Meeting, das ich nicht nur beobachten, sondern an dem ich teilnehmen durfte, eine beruhigende und offene Atmosphäre schuf. Ich erlebte sie als starke Frau, die verstanden hat, dass es bei der Führung eines Teams darum geht, gemeinsam zu wachsen und etwas Sinnvolles zu schaffen.

 

Als Gründerin von wearness, einem nachhaltigen Online-Marktplatz, Marketing- und Kommunikationschefin eines deutschen Slow-Fashion-Hauses und Modedirektorin eines Magazins hätten wir uns keine bessere Besetzung für das November-Feature unserer Strong Voice-Serie vorstellen können. Gerade im Endspurt zum Black Friday mit all den angekündigten Verkäufen, Angeboten und Aktionen erinnert Jennifer uns alle daran, dass Mode nicht als Wegwerfprodukt betrachtet werden sollte und man sie immer bewusst konsumieren sollte.
 

ÜBER JENNIFER:

Jennifer Dixon verfügt über fast zwei Jahrzehnte Erfahrung in der Modebranche. Als ehemalige Moderedakteurin bei InStyle und spätere stellvertretende Chefredakteurin von GRAZIA und JOLIE hat sie die Entwicklungen hin zu Fast Fashion und Wegwerfkultur aus der ersten Reihe beobachtet. Heute hat sie sich für eine andere Herangehensweise an Mode entschieden, die Raum für Fairness, Transparenz und Nachhaltigkeit lässt. Als Gründerin eines nachhaltigen Modemarktplatzes und Leiterin der Marketing- und Kommunikationsabteilung eines deutschen Luxushauses (und das alles, während sie gleichzeitig als Fashion Director für das MaxMagazin arbeitet! Dabei ist ihr klar geworden, warum sie sich schon als Studentin in die Modebranche verliebt hat: dass Mode eine befreiende Möglichkeit ist, Gefühle und Persönlichkeiten auszudrücken.

"Niemand ist eine Insel und alles wird leichter, wenn noch jemand da ist." Jennifer Dixon

UNSERE FRAGEN:

Deine Erfahrungen in der Modebranche sind bunt - unter anderem gehören klassischer Journalismus, die Gründung deines eigenen Modeunternehmens sowie Head of Marketing eines Designer Labels dazu. Welche Erfahrungen und Karriereschritte waren für dich am prägendsten und was war deine Motivation dahinter?

Ich habe Modejournalismus an der Akademie Mode Design (AMD) in Hamburg studiert. Während des Studiums musste man zwei Pflichtpraktika machen und ich habe mich bei InStyle beworben, das ich aus den USA kannte. In Deutschland war die InStyle damals noch relativ neu. Beide Praktika habe ich schließlich im Mode-Ressort gemacht, was zeigt, wie wohl ich mich von Anfang an in diesem Bereich gefühlt habe. Während der Praktika habe ich gemerkt, dass ich diesen Job später unbedingt machen will, mir wurde aber auch bewusst, dass Schreiben für mich nicht infrage kommt, sondern ich viel lieber Konzepte für Mode- oder Legeseiten entwickele. Nach dem Studium bin ich dann langsam, aber sicher meinen Weg gegangen – von der Mode-Assistentin zur Jung-Redakteurin, dann Redakteurin und schließlich Ressortleitung. Nach vierzehn großartigen Jahren bin ich 2016 zu Stylebop.com als Editorial Director gewechselt und habe das Redaktionsteam geleitet. Dort war ich für alle Fashion-Onsite-Inhalte verantwortlich, d.h. für die Themen auf der Seite, im Magazin sowie in den Newslettern, außerdem für die Stylings und die Beschreibung der Looks. Es war neu und spannend und die natürliche Weiterentwicklung meines vorherigen Jobs.

Du hast mit the wearness einen Marktplatz für nachhaltige Produkte geschaffen. Was hat dich zur Gründung bewegt? (noch während deiner Zeit als Deputy Editor von zugleich zwei Zeitschriften wohl gemerkt!)

Manchmal verändert ein Gespräch unter Kollegen den Blick auf die Dinge - so war es auf jeden Fall bei mir. Nach 14 Jahren bei einem Modemagazin und dann als Redaktionsleiterin bei einer Luxusplattform wurde mir klar: Es ging immer darum, großartige Mode an Frauen zu bringen. Ohne tief durchzuatmen oder ein "Ist das nicht zu viel“? Das Thema Nachhaltigkeit kam mir, wie vielen anderen in der Branche, lange Zeit nicht in den Sinn. Erst bei einem Abendessen mit Julia Zirpel habe ich angefangen, die Methoden der Modeproduktion zu hinterfragen - die Idee für the wearness war geboren. Inzwischen bin überzeugt, dass ein verantwortungsvoller Umgang mit Mode möglich ist, wenn alle mitmachen. Ich denke, dass jeder Weg, der weg von der Massenproduktion führt, der richtige ist. Mit the wearness ist es uns wichtig, zu zeigen, wie schön, aber auch wie luxuriös faire Mode sein kann. Für uns als Moderedakteurinnen hatte Nachhaltigkeit früher ein verstaubtes Öko-Image, hier zeigen wir Mode, die wir selbst gerne tragen.

Mit der Gründung eines Online-Shops für nachhaltige Produkte zeigst du sogleich, dass Nachhaltigkeit kein Standard ist. Was glaubst du, muss sich ändern, damit wir uns in Richtung einer nachhaltigeren Zukunft entwickeln?

Es wird gerade viel über Nachhaltigkeit geredet, aber fair oder ökologisch produzierte Mode wird immer noch zu wenig gekauft. Nach wie vor haftet fair produzierter Kleidung ein verstaubtes Öko-Image an. the wearness möchte eine Shopping-Alternative bieten: Hier kann man fair, transparent und mit gutem Gewissen einkaufen - ohne auf Stil und Qualität zu verzichten! Wir lieben Mode. Als langjährige Modejournalisten haben wir miterlebt, wie sich die Branche in den letzten Jahren verändert hat. Über die Jahre ist sie immer schneller und kurzlebiger geworden. Kollektionen wechseln häufiger als je zuvor und der weltweite Textilverbrauch hat sich seit dem Jahr 2000 verdoppelt. Immer mehr Kleidungsstücke wandern direkt vom Einkaufsregal in den Kleiderschrank und vom Kleiderschrank auf die Mülldeponie. Mode hat keine Bedeutung mehr für uns. Sie ist zu einer Wegwerfware geworden. Mit einem guten Gefühl oder persönlichem Ausdruck hat sie nichts mehr zu tun. Die dramatische Folge? Berge von ausrangierten Kleidungsstücken, die weit weg so billig wie möglich produziert wurden. Wie ein Kleidungsstück hergestellt wird, wer daran gearbeitet hat und unter welchen Bedingungen - das ist kaum noch nachvollziehbar. Fest steht, dass die Bekleidungsindustrie im Ranking der Umweltverschmutzer auf Platz zwei steht, gleich hinter der Ölindustrie.

Wie schafft ihr es bei thewearness Nachhaltigkeit und Konsum zu vereinbaren?

The wearness macht es einfach, die richtigen Produkte auszuwählen. Wir arbeiten nur mit Marken und Labels zusammen, deren Geschäftsgebaren auf dem Respekt vor dem Planeten und den Menschen beruht und die unsere drei Hauptkriterien erfüllen: spektakuläres Design, perfekte Qualität und nachhaltige Produktionsmethoden. Es ist nicht immer leicht zu erkennen, ob und warum ein Produkt das Prädikat "nachhaltig" verdient. Deshalb verwenden wir zehn Symbole für Nachhaltigkeit, um Etiketten und Aussehen zu überprüfen. Nur wenn eine Marke unsere Nachhaltigkeitsstandards erfüllt, stellen wir ihre Kollektionen zum Kauf auf der Website vor.

Welche Herausforderung auf dem Weg in die Selbstständigkeit ist dir langfristig am stärksten im Kopf geblieben? Wie hast du diese gemeistert?

Tatsächlich war ich nur eine kurze Zeit selbständig, in der Gründungsphase von the wearness. Ich habe mich dann dafür entschieden, wieder fest angestellt zu arbeiten und für the wearness frei zu arbeiten - einfach, weil ich mich so wohler fühle. Ein Unternehmen zu gründen, wäre für mich aber allein niemals in Frage gekommen. Den gesamten Prozess der Gründung haben meine Co-Founderin Julia Zirpel und ich gemeinsam gestemmt, mit allen Ups and Downs, vielen tollen Erfahrungen und Learnings. Wir haben nach Unterstützung gefragt, wo wir unsicher waren und uns helfen lassen, wenn wir nicht weiter wussten. Das würde ich auch allen empfehlen, die diesen Weg gehen wollen: Niemand ist eine Insel und alles wird leichter, wenn noch jemand da ist.

Welcher Moment ist dir als Unternehmerin am glücklichsten in Erinnerung geblieben und warum?

Die vielen ersten Male: Das erste Label, das mit the wearness arbeiten wollte, der Launch 2016, der erste Artikel zu unserer Idee, die erste Kundin, unser erstes Panel-Event in München - alles emotionale Momente, an die ich denke, wenn es mal unruhig wird.

Karten auf den Tisch: Wie schaffst du es, deinen Vollzeit-Job gemeinsam mit deiner journalistischen Tätigkeit als Fashion Director beim MaxMagazin, sowie deiner Rolle als Co-Founder zu vereinbaren?

Das geht nur, weil das, was ich mache mir Spaß macht. Und natürlich auch nur, weil ich es nicht alles komplett alleine mache.

Was machst du an Tagen, an denen du das Gefühl hast, dir wächst alles über den Kopf?

Ich lebe in Hamburg mit meinem Freund und unserem Hund. Die täglichen Spaziergänge mit ihnen sind mein Highlight und tun gut. Außerdem haben wir ein kleines Haus in Dänemark, eine herrliche Ruheoase.

Ganz persönlich: Welchen Rat würdest du dir geben, wenn du dich vor 10 Jahren treffen würdest?

Ich bin leider sehr schlecht darin, wichtige Momente und schöne Erinnerungen festzuhalten. Mein Rat an mich wäre und ist: mehr Fotos zu machen und eine Art Tagebuch zu führen - für berufliches und privates.

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